Rede Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch, 10.11.2012
am Synagogen-Mahnmal in Bonn, Moses – Hess – Ufer
Sehr geehrte Frau Dr. Traub,
sehr geehrte Frau Mehmel,
meine Damen und Herren,
„Arsch huh – Zäng ussenander“ hieß es vor 20 Jahren in Köln bei der größten Kundgebung gegen „Rechts“ in Deutschland. Gestern, zwei Jahrzehnte später, fand in Köln die zweite Auflage dieser Demonstration gegen Neonazis, Rassismus und Ausgrenzung und für eine solidarische Stadtgemeinschaft statt Nicht, weil es 1992 so ein tolles Konzert war, sondern weil die Anliegen heute leider immer noch so aktuell sind, wie vor zwanzig Jahren. Weil Menschen auch heute noch wegen Ihrer Hautfarbe, Ihrer Herkunft, Ihrer Religion oder Weltanschauung ausgegrenzt und diskriminiert werden, weil Hass und Fremdenfeindlichkeit immer noch nicht überwunden sind.
Auch wir sind heute zu einer Kundgebung zusammengekommen. Wir sind zusammengekommen, um zu erinnern, zu gedenken, aber auch um zu mahnen. Wir stehen dazu hier, genau an dem Ort, wo bis zum 10. November 1938 die jüdische Synagoge stand.
Am 9. und 10. November 1938, vor 74 Jahren, brannten im damaligen Deutschen Reich die Synagogen. Der von den Nationalsozialisten angeordnete und ausgeführte Novemberpogrom – in der nationalsozialistischen Presse als „spontaner Protest“ dargestellt – diente als Rechtfertigung für die weitere Entrechtung und die millionenfache Verfolgung und Vernichtung jüdischer Bürgerinnen und Bürger. Besonders beschämend ist, dass der Pogrom in Bonn keineswegs bei Nacht – wie in vielen anderen Städten – stattgefunden hat. In Bonn Bad Godesberg, Beuel, Mehlem und Poppelsdorf wurden die Synagogen am hellichten Tag in Brand gesetzt, unter den Augen der Ordnungshüter und der Öffentlichkeit. Geschäfte und Wohnungen jüdischer Bürgerinnen und Bürger wurden zerstört. In den darauf folgenden Tagen wurden viele verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau gebracht.

Foto aus dem GSI-Archiv, Titel: Verwehtes Laub – bis zur Reichs-kristallnacht 1938, genau dem 10. November, Luthers Geburtstag, stand hier die Synagoge Bonn
Meine Damen und Herren, die Verbrechen des Novemberpogroms, die Unmenschlichkeit, der fehlende Mut, einzuschreiten und zu helfen, dies alles geschah am 9. und 10. November 1938 nicht irgendwo weit ab von uns, es geschah auch in unserer Stadt. Das dürfen wir nie vergessen. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir heute immer wieder aufstehen und einschreiten, wenn Menschen in unserer Stadt diskriminiert und ausgegrenzt werden, wenn Ihnen Hass und Gewalt entgegen schlägt. Wir müssen gemeinsam aktiv dagegen vorgehen. Das heißt „Arsch huh – Zäng ussenander“ und das ist auch unser Auftrag.
Die Judenverfolgung traf Bürgerinnen und Bürger, die jahrzehntelang unbescholten und friedlich in unserer Stadt lebten. Sie waren Teil unserer Stadtgesellschaft. Am 9. und 10. November 1938 wurde deutlich, wie schnell Menschenrechte, Demokratie und ein friedliches Miteinander gefährdet sein können. Nach den Pogromen verschärfte sich die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung durch die Nationalsozialisten in radikaler Weise. Die großen Deportationen der Juden aus dem Rheinland jähren sich 2012 zum 70. Mal.
Mit den Deportationen im Oktober 1941 ins Ghetto Litzmannstadt, also vor 71 Jahren, hat alles angefangen. Im Juni und Juli 1942 folgten zahlreiche weitere Deportationen: Am 14. Juni 1942 in das KZ Theresienstadt, am 15. Juni 1942 in den Distrikt Lublin, am 20. Juli 1942 nach Minsk und am 27. Juli 1942 in das KZ Theresienstadt.
In der Bonner Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus habe ich im Oktober eine Ausstellung eröffnet, die die Lebenszeugnisse der Deportierten, die in mehrjährigen Recherchen zusammengetragen worden sind, zeigt. Die persönlichen Briefe und Fotografien, Berichte und Dokumente sind ein eindringliches Zeugnis der Menschen aus dem Rheinland, die Opfer der Schoah wurden. Die Ausstellung „Deportiert ins Ghetto“ ist noch bis 23. November hier in Bonn zu sehen. Besondere Angebote für Schulklassen sollen dazu beitragen, die Erinnerung an diese Ereignisse auch für die nachkommenden Generationen wach zu halten, denn die Grundlagen unserer Zivilisation können nur gewahrt werden, wenn es Menschen gibt, die sie achten und für sie eintreten. Demokratie kann nur wehrhaft sein, wenn die Zivilgesellschaft wehrhaft und wachsam ist.
Es ist daher an uns, meine Damen und Herren, entschieden jeder Hetze gegen Menschen anderer Herkunft oder anderer Religion und der Verfälschung der Geschichte entgegen zu treten und uns stark zu machen für eine Stadt, in der Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Rassismus keine Chance haben.
Ich danke Ihnen allen dafür, dass Sie heute hierher gekommen sind, um gemeinsam zu erinnern und um gemeinsam ein Zeichen zu setzen. Ein ganz besonders herzlicher Dank gilt den Organisatoren der heutigen Gedenkveranstaltung, namentlich der Initiative zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, Frau Mehmel, der Vorsitzenden der Synagogengemeinde, Frau Dr. Traub, den Mitgliedern des Schauspielensembles und der Oper Bonn, die auch diesen Abend mit einer szenischen Lesung bereichert haben sowie Herrn Reiche-Ebert für die musikalische Begleitung.
BS“D
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister der Alt – Bundeshauptstadt Jürgen Nimptsch!
An Ihrer Rede zu dem entsetzlichen Jahrestag gibt es gewiss nichts zu kritisieren. Im Gegenteil!
Ein einziges Wort gibt mir jedoch Anlass für den Blick in eine Dimension, mit der wohl kaum jemand dabei rechnet.
Die großen Deportationen der Juden aus dem Rheinland – hier: Distrikt Lublin
Das vom deutschen Staat voll durchorganisierte Verbrechen lief mit System ab. Zu den Zielen der Deportationen stehen hier die Namen von vier Städten: Ghetto Litzmannstadt (heute Lodz), KZ Theresienstadt, Distrikt Lublin und Minsk.
Bei Minsk, der Hauptstadt von Weißrussland, kann es sich auch „nur“ um ein Ghetto gehandelt haben. Das Wort Distrikt vor Lublin lässt jedoch eine konkrete Zuordnung nicht zu. War da ein Unterschied? Welcher Abgrund war dort eingerichtet?
Von welchem Rheinländer kann man auch erwarten, sich dort auszukennen?
Der Ablauf der ganzen Geschehnisse während des Krieges, ob an den Fronten, in den Gefangenen-Lagern, in den Ghettos, in den Konzentrationslagern und in den Vernichtungslagern kann nur mit Entsetzen betrachtet werden. Dem ging aber etwas voraus.
Es war die Entwicklung des totalen Mordsystems – nicht nur einer grenzenlosen Rüstungsindustrie, sondern der Lager und der Euthanasie (zynischer Ausdruck für Gnadentod). Das fing nach der Machtergreifung der Nazis an mit dem KZ Dachau bei München und später mit der Einrichtung von Tötungsanstalten.
Es hatte aber insgesamt einen Hintergrund in einer seit vergangenen Generationen betreffend der Juden entwickelten Ideologie und der mit den Nazis weltweit zum ersten Mal in die Staatsmacht gelangten Psychiatrie unter Anwendung von wissenschaftlich begründeten Methoden der Psychologie. Es schloss insofern ein Experimentierfeld von noch nicht gekanntem, aber auch erst später öffentlich erkanntem Ausmaß ein, setzte also absolute Geheimhaltung voraus.
Die Entwicklung des unvorstellbaren Verbrechens hatte eine Zentrale, bei den Nazis das Kürzel T 4. Alle diesbezüglichen Akten hatten die Überschrift „Geheime Reichssache T 4“. Diese befand sich in Berlin in der Tiergartenstr. 4. Dort steht heute die Philharmonie, ein Gebäude, bei dessen Architektur nichts im Lot sein durfte.
Ideologisch wurden die Menschen, die in den Tod befördert, also vernichtet werden sollten, eingeteilt in lebensunwertes Leben bzw. Untermenschen. Für die verschieden Stadien des Systems mussten verschiedene Begriffe erst erfunden werden.
Erfasst und der Willkür von Schreibtischtätern im Hause T 4 unterstellt wurden deutschlandweit alle Heil- und Pflege-Anstalten. Neu eingerichtet wurden Tötungsanstalten. Die Opfer dieser Aktion wurden, gewöhnlich ohne Ahnung von deren Angehörigen in eine der Tötungsanstalten verlegt.
Das setzte bereits absolute Geheimhaltung voraus und dazu die Einrichtung neuer logistischer Systeme, insbesondere der dafür eingerichteten Transportunternehmen.
Diese wurden bereits an der Vernichtung beteiligt, z. B. durch Lastwagen, bei denen die Abgase des Motors in den als Gaskammer eingerichteten Aufbau umgeleitet wurden, sodass die Insassen bereits tot waren, bevor sie an der Tötungsanstalt ankamen.
Dazu gehörten auch medizinische und juristische Verschleierung–Systeme, z.B. die Diagnose der Todesursachen und Ausstellung der Sterbeurkunden für die Standesämter etc., insbesondere bezüglich des Sterbeortes, der ja nicht auf den Ort der Tötungsanstalt schließen lassen durfte.
Es musste vor allen Dingen für noch nicht geschehene Dinge ein Personal rekrutiert, ausgebildet und vor allen Dingen psychisch befähigt werden.
Das bedeutet, im Herzen solcher Leute mussten bestimmte Regungen bereits tot sein, oder eine Bereitschaft gefunden werden, sie zu töten bzw. sie sich töten zu lassen. Sagen wir dazu, das Empfindungsvermögen und das Gewissen zu beseitigen.
Im militärischen Bereich lief dazu parallel das Ausbildungssystem für die SS – Einheiten mit gleichen Charakterzielen.
Mit dem Überfall auf Polen wurde von Hitler die Euthanasie verboten. Das bereits herangebildete Personal von über 400 Personen wurde aber sofort nach Polen verlegt. Sie waren bereit gemacht worden für einen mit dem Weltkrieg beabsichtigten Zweck, die Vernichtung der Juden. Den Juden ggf. gleichgestellt wurden die Sinti und Roma, Zigeuner genannt.
Im Prinzip wurden die Juden von Staats wegen wie Geisteskranke behandelt. Die Bereitschaft, sich nach dem Wort Gottes zu richten, wurde praktisch als Symptom von Geisteskrankheit eingestuft.
Dass dahinter eine Gesinnung gesteckt hat, die bereits für Luther typisch wurde (s. Offener Brief zu Luthers Lutherdekade), lässt auch auf religiöse Motive der Täter schließen, wie z.B. bei den Kreuzzügen. Luther, der als Jurastudent im ersten Semester seinen Studienkamerad Hieronymus Buntz mit dem Messer erstochen hatte, konnte sich damals durch den Eintritt ins Kloster dem Zugriff der Justiz entziehen.
Den Anstalten bei der Euthanasie entsprachen die in ganz Europa eingerichteten Ghettos als Vorstufe zu den Konzentrationslagern und den Tötungsanstalten entsprachen die Vernichtungslager in Polen. Man hat durch die Deportationen die ausgegrenzte Gruppe aus dem Gesichtskreis der als Staatsbürger gebrauchten Bevölkerung verschwinden lassen, um sie dann ungehindert vernichten zu können.
Was geschah nun im Distrikt Lublin? Nur reichlich einen Kilometer südöstlich der großen Stadt Lublin wurde das Lager Majdanek errichtet. Was dort geschah hätten die Bewohner der Stadt zum Teil mit dem Fernglas vom Dachgeschoss aus beobachten können.
Es wurde entsprechend eingerichtet, weil die Erfahrungen der Euthanasie für das nun geplante Ausmaß noch nicht genügten. Es musste weiter experimentiert werden. Dabei wurde das KZ Majdanek, das dafür zuständig war, zunehmend zum Vernichtungslager. Versuchsgaskammern. Ein permanenter Transport der nackten Leichen auf offenen Stoßkarren zum Krematorium am anderen Ende des Lagers, im Prinzip ein Psychoterror, um die dadurch ihren bevorstehenden Tod sehenden Häftlinge zur Verzweiflung zu bringen. Ein mit wissenschaftlichen Methoden betriebener Satanismus.
Hier wurde auch mit verschiedenen Giftgasen experimentiert. Bei Verwendung von Kohlenmonoxyd dauerte es z.B. mindestens 40 Minuten, bis in der Gaskammer alle tot waren. Bei Zyclon B, das erst in dieser Phase „entdeckt“ wurde, waren dann alle bereits in 10 Minuten tot.
Was noch zu hinterfragen bleibt, aber das ganze wahnsinnige Geschehen mit anderen Augen sehen lässt, ist das Warum“? Ich zitiere aus der Zeitschrift „Zum Leben“ der Sächsischen Israelfreunde e.V. Nr. 4 / 2012 aus dem Artikel „Tod den Zeugen“ von Egmond Prill:
Pulverfass Nahost. Worum geht es wirklich? Warum ist dieser Konflikt nicht lösbar? Ansätze gibt es viele. „Es geht um Israel, um die Existenz des Zeugen Israel.“ Wenn dieser einzige Zeuge für die Wahrheit Gottes ausgelöscht werden könnte, dann wäre der Gott Israels ein lächerlicher Gott, eigentlich ein Lügner. Denn an diesem einen Volk hat Gott seinen Namen festgemacht. Das Völkermeer braust und wütet – erst recht, seit es den Staat mit dem Namen Israel gibt. Dieses Zeugnis des Handelns, der Liebe und der Treue des lebendigen Gottes auszurotten – das wäre das Größte in den Augen der Feinde Israels. Was heute Antisemitismus heißt, oft in „Israelkritik“ verpackt wird [s. auch Margaret Traub: Antisemitismus getarnt als Israelkritik], ist der Hass auf den Zeugen Gottes weil er der Zeuge ist. Und wenn der unsichtbare Gott nicht geschlagen werden kann, wird sein Bodenpersonal geschlagen. Ende Zitat.
Schalom al Israel! – Frieden für Israel!
Schon als wir neulich in oben verlinktem Artikel

Waldshut-Tiengener Vorbildfunktion gegen Luthers Reichskristallnacht
Letztere karrikierend als „ C h r i s t a l l n a c h t “ darstellten,
war einem Leser sofort das Gedicht „Lot und Waage“ von Ihnen, sehr geehrter, lieber Herr Kiebitz, eingefallen, in welchem Ihnen eine vergleichbar wahre Persiflage des christlichen Systems Deutschland in Form einer „ D ä m o n – K r a t i e “ gelungen war. – Mit einer hoch aktuellen Frage gleich in der ersten Zeile bringen wir unseren Lesern also hier einen . . .
Auszug aus:
LOT UND WAAGE
von Jehonatan Kiebitz
Bringt I s r a e l GOTTES Gericht ?
ER offenbart am Sinai
von oben SEIN GESETZ zum Licht !
Von unten wirkt Dämon-Kratie !
Barmherzigkeit und Dankbarkeit
bedeuten Lot und Waage.
Nach beiden Tafeln sei bereit,
Herz – Seele, ohne Klage.
Von manchem Synagogen-Dach
weit strahlen dir entgegen
die Liebestafeln. Sei nur wach !
Davon hängt ab dein Segen.
Die kompletten 48 Verse von » Jehonatan Kiebitz – LOT UND WAAGE «
lesen Sie hier im » PDF Download