„Lieben Sie Parties?“ stellte Daliah Lavi in den 70’er Jahren singend die himmlische Frage, deren Antwort sie gleich in einer jüdischen Hawdala mitlieferte: „Ich finde sie unbequem, keiner kennt keinen, doch jeder sagt: angenehm!“ Hawdala heißt Unterscheidung. Die Unterscheidung sowie überhaupt die Fähigkeit dazu – an jedem Schabbat durch Trennung des Heiligen vom Unheiligen wieder neu verinnerlicht – wohnt seelisch jedem Juden und Israel inne. Dem Land also, darin Gott verheißenermaßen Milch und Honig fließen sollen … zum Ärger Deutschlands, wie der Bundesminister Niebel letzte Woche, Gerechtigkeit heuchelnd vor Gaza stehend, in verwerflichster Tateinheit mit seiner Funktion als Vizepräsident der DIG (Deutsch-Israelische Gesellschaft) der Welt zu vermitteln suchte. Dazu mehr weiter unten.
Zurück zur Party und hin zur Diskussion mit Dr. Gregor Gysi gestern im sonnenumspielten ehemaligen Gästehaus der Bundesrepublik Deutschland auf dem Petersberg. Wieder war Hawdala gefragt, doch nicht wie im Daliah Lavi Song in Form einer sich auftuenden Ambivalenz zwischen unbequemen und angenehmen Gefühlen, sondern in Form der knallharten Unterscheidung deutscher Wahrheiten von Deutschland diskreditierenden Lügen, wie sie zuletzt nach dem Israelbesuch der Deutschen Bischofskonferenz 2007 Not-wendig geworden war, als Bischof Walter Mixa dort in Eretz Israel angesichts Gaza von einer “ghettomäßigen Situation” gesprochen hatte, die “fast schon an Rassismus” grenzte. Vor diesem Hintergrund sowie der von Deutschland heute wieder wissentlich ins Gegenteil verkehrten so genannten „Flottillen-Affäre Mavi Marmara“ stellte Eric Martienssen von God’s Sabbath International gestern seine Frage an Gregor Gysi:
„Lieber Herr Dr. Gysi, Sie haben uns eingangs sehr plastisch davon berichtet, dass Marx gesagt hatte »Religion ist Opium des Volkes«, weil das Volk Religion brauchte, wie dieses Zitat aber durch simplen, bewussten Austausch von wenigen Wörtern später ins absolute Gegenteil verkehrt wurde, nämlich zu »Religion ist Opium für das Volk «. Dann sprachen Sie sich entschieden für demokratischen Sozialismus, gegen Rassismus aus und sprachen von den Lehren aus Auschwitz und dem Holocaust. – Jetzt aber zitiere ich Ihnen aus dem offiziellen Mitschnitt des israelischen Militärs vom Funkverkehr der IDF an das Schiff, auf dem Ihre Bundestagsabgeordneten, zwei Abgeordnete der Linken im Deutschen Bundestag gen Gaza zogen. Da forderte die Marine das Schiff, auf dem ihre beiden Genossen fuhren dazu auf, abzudrehen, da es Gebiet ansteuerte, das einer Marine-Blockade unterliegt. Und was antwortete das Schiff auf dem ihre beiden Genossen fuhren:
»Haltet die Klappe, geht zurück nach Auschwitz!« Meinen Sie nicht, Herr Gysi, Sie sollten einen Pfeiler für Deutschland setzen und diese beiden Bundestagsabgeordneten der Linken aus der Partei ausschließen? Danke!“
Für seine Antwort hatte sich Gysi – immerhin – zehn ausführliche Minuten Zeit genommen, mit dem erwarteten, jede Unterscheidung zwischen Wahrheit und Lüge, Gut und Böse, unmöglich machenden Fazit, dass die Linke-Abgeordneten des Deutschen Bundestages nur durch ominöse konspirative Machenschaften des israelischen Geheimdienstes (dieser soll mutmaßlich, laut Gysi, zwei Schiffe, auf denen seine Genossen vorher fuhren fahruntauglich gemacht haben) zufällig auf der Mavi Marmara untergekommen waren. Hätten diese beiden Genossen so etwas persönlich gesagt, wie: ’geht doch zurück nach Auschwitz’, würden sie natürlich aus der Bundestagsfraktion ausgeschlossen werden.
Genau diese Feststellung Gysis scheint die vielleicht einzig wirklich „deutsche Krux“ aber auf den Punkt zu bringen, dass nämlich der Einzelne nicht mehr an „seinem vernichtenden Geist“, sondern nur noch daran zu bemessen sein soll, was er tatsächlich gesagt hat.
Das Prinzip dieser bewusst gelebten und vollkommen außerhalb Gottes Geist laufenden Unterschiedslosigkeit indes, hat das Christentum mit sich gebracht. Die jüdische Theologie-Professorin Ruth Lapide brachte die seelische Zerrissenheit als Ursache dieser auch unterbewussten Unterscheidungsunfähigkeit sowie des Unwillens, überhaupt unterscheiden zu wollen (weil man dann die Menschen vernichtende Wahrheit der Kirche erkennt) einmal auf den Punkt: „Jesus von Nazareth war ein Jude. Wie Menschen darauf kommen konnten, eine Religion zu gründen, deren Begründer zeitlebens einer anderen Religion angehörte, ist mir ein Rätsel”.
Gysis Vorredner, Dr. Friedrich Schorlemmer, hatte sich ehrenhaft, obwohl Theologe und Publizist, von der Kirche und ihrem „apostolischen Glaubensbekenntnis“ losgesagt – „angenehm“. Und, äußerst „unbequem“ um bei Daliah Lavi und ihrer gesanglichen Partyliebe zu bleiben, rief diese Absage an die Kirchenhörigkeit sogleich einen anderen Theologiepublizisten unter den knapp vierhundert Gästen des Verlags für die Deutsche Wirtschaft AG auf den Plan, der Schorlemmers Vortrag als theologisch inhaltslos beschimpfte.
Christen, deutschen insbesondere so drängte es sich auf, ist es als bittere Konsequenz aus Luther, Holocaust und nunmehr deutschem Papst willentlich nicht mehr möglich, zwischen bösen Geist von gutem Geist zu unterscheiden, alles eine dialektische Suppe, womit wir beim unrühmlichen, ins Gegenteil verkehrenden Verwirrspiel des Dirk Niebel zurück wären, das SPIEGEL ONLINE mit „Eklat bei Nahostreise – Minister Niebel legt sich mit Israel an“ überschreibt. Wie eine Farce lässt allerdings anmuten, wenn dieser Minister gleichzeitig – als Vice-Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft – sich ähnlich der Tarnung des kirchlichen Antisemitismus den Schein gibt, als sei er in Wahrheit für Israel und Gott. Pervers wird es allerdings, wenn eine Woche vor Niebels Israel-Angriff der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Johannes Gerster, noch die zentrale Solidaritätskundgebung für Israel als einer der Hauptredner angeführt hatte. Wer sagte doch so treffend: Es gäbe nichts Böses, wenn nicht das Böse immer im Schein des Guten getan würde, die Lüge nicht immer auch eine Beimischung von Wahrheit hätte?
Bleibt nur, jedem Menschen von ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzem Vermögen einen wunder-baren Schabbat zu wünschen, mit der Erkenntnis der Hawdala, der Unterscheidung wider dieser drohenden Anarchie. Mögen unsere Leser uns vergeben, dass wir manchmal etwas „unbequem“ sind. Wir sind der guten Hoffnung, dass es Ihnen an diesem Schabbat-Fest eine sehr „angenehme“ Begegnung mit dem Ewigen wird.
Schabbat Schalom wünscht Ihnen
Ihre God’s Sabbath International
P.S.: Hilfreich bei der Erkenntnis des Schabbats und des Jüdischen Jahres ist auch im kommenden jüdischen Jahr 5771 wieder der „Hawdala-Kalender“, der für EUR 24 ab sofort zu bestellen ist und bis vor Rosch HaSchana per Luftpost ausgeliefert wird. Hier ein Auszug der den Kalender begleitenden Texte von 5768 >
Shabbat Shalom Alechem,
meine Wenigkeit hielt Herrn Gysi für sehr gross! Meine Enttäuschung möchte ich mit Wilhelm Reichs Buch „Die Rede an den kleinen Mann“ kommentieren und hätte, wenn ich beim Petersberger Forum dabei gewesen wäre, Herrn Dr. Gysi gerne gefragt, ob Leo Trotzki uns Wählern mit seinem Gedankenansatz (1925 während eines Schauprozesses:-) nicht eine geniale Entscheidungsbasis nahe legte:
» Vielleicht kann ich die Wahrheit finden, indem ich die Lügen vergleiche? «
Danke für diese Wahrheit-Findungshilfe – ein echter Eck-Pfeiler!
Ich betone es auf diese Weise, da ich selbst keine Idee der Bedeutung des „Pfeilers“ hatte, als ich im Forum auf dem Peterberg aufgerufen worden war, meine Frage an Gregor Gysi zu stellen. Der Moderater tat es mit den Worten: „Die nächste Frage kommt von dem Herrn dort drüben am Pfeiler“…
In meinem Tanach kommt das Wort „Pfeiler“ außerhalb des Propheten Ezechiel exakt 1 (in Worten ein) mal vor, nämlich in der Haftara am Schabbat „Balak“, drei Tage nach dem Peterberg – als der Vorbeter in meiner Synagoge die Stelle verlas (Micha 5,6-14; 6,1-8), stockte mir das Blut in den Adern (das hatte ich selber erlebt, unglaublich)! Es ging um die Nationen im Verhältnis zu Israel: „ICH vollziehe mit Zorn und Grimm Rache an den Nationen, die nicht gehört haben. Hört doch, was der Ewige spricht: … Hört, ihr Berge, den Streit des Ewigen, und ihr festen Pfeiler der Erde …“
Er, der Ewige, sagt uns hier: Nicht die Berge noch die menschlichen Pfeiler sind die Festen Israels (auf die ihr Israeliten ebenso vertraut, wie die Völker, die ich zerstöre), sondern nur ICH allein: „Mein Volk, was habe ICH dir getan und womit habe ICH dich gekränkt? Zeuge wider MICH, der ICH dich aus dem Land Mizrajim aus der Knechtschaft geführt habe?“