Rede der Vorsitzenden des Vorstands der Synagogengemeinde Bonn,
Frau Dr. Margaret Traub, anläßlich der Gedenkstunde 10. Nov. 2011

am Synagogen Denkmal Erzberger Ufer – es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Nimptsch,
sehr geehrte Damen und Herren,

es hat inzwischen eine lange Tradition, dass wir uns hier am 10. November eines Jahres treffen, um der Opfer der Nazi-Gewaltherrschaft zu gedenken.

Lassen Sie mich berichten, wie die Jüdische Gemeinschaft in Deutschland das abgelaufene jüdische Jahr 5771 empfunden hat und was wir uns für das Jahr 5772 und die Zukunft wünschen.

Das gegenseitige Verhältnis zwischen Juden und Christen hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verbessert, woran der letzte Papst, Johannes Paul II., großen Anteil gehabt hat. Diesen Kurs setzt Papst Benedikt glaubwürdig fort. Es war ein wichtiges Signal, dass sich der Papst schon in den ersten Stunden seines viertägigen Besuchsprogramms Zeit für das Zusammentreffen mit jüdischen Vertretern genommen hat. Trotz der positiven Entwicklung gibt es jedoch auch immer noch Differenzen. Dazu gehört der Konflikt um die Piusbruderschaft und eine mögliche Seligsprechung von Papst Pius XII. Für uns Juden bleibt Pius XII. weiter der Papst, der zu laut schwieg angesichts der Schreie der Shoa.

Wir müssen für mehr Verständnis dafür werben, dass Israel immer noch in einem Existenzkampf steckt. Der Iran hat mit Hamas und Hisbollah zwei große Terror-Filialen, die bis an die Zähne bewaffnet, sprungbereit und aggressionslüstern direkt an den Grenzen Israels stehen.

An den Rändern der deutschen Gesellschaft kann man hier und da sogar eine Israel-Feindschaft antreffen, die oft schon in aggressiven Judenhass umzuschlagen droht. Das betrifft nicht nur Nazis sondern auch manche Linke und Teile der muslimischen Bevölkerung, vor allem unter Jugendlichen. Wichtig wäre hier eine verbesserte Zusammenarbeit der Jüdischen Gemeinden mit den örtlichen gemäßigten muslimischen Gemeinden.

Es gibt Einige, die das Problem erkannt haben und etwas dagegen tun wollen, bei anderen muss noch viel mehr kommen. Hier dürfen wir niemanden aus der Verantwortung entlassen.

Erfreulich ist, dass es u.a. mit Vermittlung der deutschen Regierung zu einer Freilassung des Soldaten Gilad Schalit gekommen ist, der vor fünf Jahren von der Hamas überfallen und entführt worden war. Allerdings ist mit der Freilassung von tausend palästinensischen Gefangenen, darunter verurteilter Mörder, der Preis für die Freiheit des 25-Jährigen sehr hoch gewesen. Doch der Schritt ist völlig richtig gewesen, um Schalits Gefangenschaft nach mehr als fünf Jahren zu beenden. Überschattet wurde der Tag der Freilassung von Schalit von den zynischen Kundgebungen der Palästinenser für Terroristen, die Blut an ihren Händen haben. Vom Geist der Versöhnung sind die Verhandlungen über die Freilassung zwischen Israel und der radikal-palästinensischen Hamas sehr weit entfernt gewesen. Noch am Tag der Freilassung von Schalit hat Hamas erklärt, dass sie immer wieder ’neue Schalits‘ entführen würde.

Die Zeit nach der Freilassung von Gilad Schalit ist in den israelischen Gebieten nahe der Grenze zum Gaza-Streifen nicht gerade von Hoffnung auf Frieden geprägt. Unablässig werden Tod und Leid bringende Raketen – meistenteils iranischen Ursprungs – aus Gaza nach Israel abgeschossen, um so den Friedensprozeß zu behindern. Der Friedensprozeß wird auch gerade nicht dadurch gefördert, dass ein noch nicht existenter Staat „Palästina“ einseitig als Vollmitglied in die Unesco aufgenommen wird. Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland dankt der Bundesregierung für das eindeutige Bekenntnis zum vorrangigen Existenzrecht des Staates Israel und deren negative Haltung zur Aufnahme in die Unesco, bevor alle Fragen der Staatsfindung und der Vollaufnahme in die UNO geklärt sind. Ein wichtiger Vertreter der palästinensischen Seite, Herr Mahmoud Abbas, hat inzwischen den größten politischen Fehler in der Geschichte der Palästinenser öffentlich eingestanden. Er hat bedauert, dass die arabischen Staaten und die dort lebenden Palästinenser 1948 dem Teilungsplan der UNO nicht zugestimmt haben.

Der Antisemitismus von Links und von Rechts ist immer noch ungebrochen vorhanden [→Margaret Traub – Antisemitismus getarnt als Israelkritik]. Ich stelle fest, dass die Linkspartei ganz sicher keine antisemitische Partei ist. Das antifaschistische Engagement gibt jedoch nicht das Recht, dass einzelne Mitglieder der Partei ihren fanatischen Israel-Hass ausleben dürfen. Die Grenze der sachlichen Kritik an Israels Politik darf nicht überschritten werden und in böse Häme über den jüdischen Staat übergehen.

Uns reicht nicht die Beteiligung an Demonstrationen gegen Rechtsradikale. Uns reichen auch keine halbherzigen Beteuerungen, uns reicht auch kein Fraktionsbeschluss gegen Antisemitismus, der auch nur deswegen einstimmig verabschiedet werden konnte, weil 14 Personen vor der Abstimmung den Saal verließen und der Vorsitzende sogar noch mit Rücktritt drohen musste. Die Resolution war auf Drängen von Fraktionsvorsitzendem Gregor Gysi gefasst worden und untersagt den Fraktionsmitgliedern unter anderem eine Beteiligung an Boykott-Maßnahmen gegen Israel sowie an einer neuen Hilfsflotte nach Gaza. Im vergangenen Jahr waren zwei Abgeordnete der Linken auf der Mavi Marmara mitgefahren. [→ DIE ZEIT | → GSI]

Eine Studie über das politische Verhalten der Linken hat Fälle dokumentiert, wie etwa ein Flugblatt des Duisburger Kreisverbands der Linken, das auf dessen Webseite zum Boykott israelischer Produkte aufrief und miteinander verwoben Hakenkreuz und Davidstern zeigte.
Festzuhalten ist allerdings, dass es an der Spitze dieser Partei auch ehrenwerte Stimmen gibt, wie Petra Pau, Katja Kipping und Gregor Gysi, die die Linkspartei aus dem Kerker des Israel-Hasses befreien wollen. Der große Befreiungsschlag ist jedoch noch nicht geglückt.

Dass Neonazis oder andere Rechtsextremisten in Deutschland an die Macht kommen, kann man ohne Wenn und Aber ausschließen. Dennoch besteht kein Grund zur Selbstzufriedenheit: Die kleine rechtsextremistische Minderheit hängt der braunen Ideologie unverhohlen an und versucht nach Kräften, sie unters Volk zu bringen. Daher bleibt Wachsamkeit geboten.
Ein überdeutliches Beispiel dafür war der Anfang Juni 2011 in Bamberg abgehaltene Programmparteitag der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“, NPD. Sollte jemand geglaubt haben, die Partei könnte sich vom Nationalsozialismus entfernen, dann belehrten ihn die klatschenden Delegierten spätestens nach dem Grußwort einer Funktionärin der „Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene (HNG)“ des Gegenteils. In ihrer Ansprache hatte die Fanatikerin in den Saal gerufen: „wir fordern die Abschaffung aller Anti-NS- und Gesinnungsparagrafen.“ Der aufbrausende Beifall war eindeutig. Die NPD-Delegierten wollen die NSDAP wiederhaben, sie wollen öffentlich Hakenkreuzfahnen schwenken und den Hitlergruß zeigen können, ohne bestraft zu werden.

Der Rechtsextremismus in Deutschland konzentriert sich nicht nur auf die NPD, aber sie bleibt trotz aller internen Probleme eine Art Herzstück der braunen Bewegung.

Das Jüdische Leben in Deutschland ist heute um viele Facetten bereichert. Am 30. Mai 2011, fiel für 30 Studierende mit einer feierlichen Eröffnung der Startschuss zu einem einmaligen Studium, das ihnen berufsbegleitend den Bachelor-Abschluss in Sozialer Arbeit, mit Schwerpunkt auf →Jüdischer Sozialarbeit, ermöglicht.

Die Notwendigkeit eines solchen Studiengangs ergibt sich durch den Zuwachs der Gemeinden. Tatsächlich gehört die jüdische Gemeinschaft in Deutschland zu den am schnellsten wachsenden jüdischen Gemeinschaften in Europa, was durch die Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion bedingt ist.

Inzwischen kann das jüdische Leben in Deutschland nicht mehr auf die hässliche Kurzformel Schoah und Antisemitismus reduziert werde. Bei den in Deutschland lebenden Juden ist ein Bewusstseinswandel festzustellen, der sich im Laufe der deutschen Nachkriegsgeschichte innerhalb der Gemeinden hinsichtlich der Dauerhaftigkeit jüdischen Lebens vollzogen hat. Der historische Bogen reicht dabei vom Flüchtlingsdasein, dem Aufbau der ersten Gemeinden und dem Leben „auf gepackten Koffern“ noch in den 70-Jahren bis zum Entschluss zum Bleiben und der Errichtung einer neuen Infrastruktur. Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland zeigt heute viele Facetten und eine reiche Kultur. Kultur ist zwar teuer, sie ist aber auch sehr wertvoll: Sie hilft, Vorurteile zu zerschlagen, nicht nur Vorurteile gegenüber Juden, sondern Vorurteile gegenüber dem Anderen schlechthin – dem Anderen oder auch dem nur als ganz andersartig Empfundenen. Hier geht es um eine wichtige Investition in den Faktor Toleranz, in die gegenseitige Akzeptanz, in eine moderne, liberale, pluralistische Gesellschaft in Deutschland.

Hätte es eine solche Gesellschaft vor der sog. Machtergreifung in Deutschland gegeben, so würden wir heute hier nicht stehen, um aller Opfer des Nationalsozialismus und anläßlich der 73. Wiederkehr der Pogromnacht insbesondere der 6 Millionen ermordeten Juden in West- und Ost-Europa zu gedenken.

Lassen Sie mich Ihnen zum Schluß noch folgendes mit auf den Weg geben:

    Die Tora lehrt uns, dass wir nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Welt und unsere Mitmenschen verantwortlich sind.

Es gibt noch viel zu tun, große Herausforderungen und wunderbare Chancen, die wir zusammen annehmen, angehen und nutzen wollen, um auf diese Weise eine noch stärkere, selbstbewusste und florierende gemeinsame Zukunft zu schaffen.

Eine Zukunft, die bereits in diesem Moment beginnen kann, wenn wir es nur wollen.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Eric Martienssen

Seit meinem Kirchenaustritt 2009 spüren meine jüdisch-orthodoxen Freunde in Israel und ich in Artikeln und höchst politischen Schabbat-Kommentaren auf GSI (God's Sabbath Int.) den Fake News Roms nach.

Der damalige Pontifex zerstörte die Wohnung Gottes, den Tempel in Jerusalem - Fakt! War das Neue Testament und die Kirche nur eine Weltmacht strategische Geschäftsidee Roms? Was ist Politik heute? Viel Freude bei Ihrer Reise auf GSI.