Hoschana Rabba: Hallel, Psalm 27, 4. Mose 29,26-34
Schmini Atzeret: Hallel, 5. Mose 14,22-16,17 , 4. Mose 29,35-30,1, 1.Könige 8,54-66, Psalmen 65 + 12
Simchat Tora: Hallel, 5. Mose 33,1-34,12, 1. Mose 1,1-2,3, 4. Mose 29,35-30,1, Josua 1,1-18, Psalmen 147 + 8

Schabbat Bereschit: 1. Mose 1,1-6,8; Prophetenlesung-Haftara: Jesaja 42,5-43,10; Psalm: 139

Heute Morgen, an Hoschana Raba, dem Großen Hosanna, wurde zum fünfzigsten und letzten Mal (seit dem Beginn der „Zeit der Besinnung“ / 40 Tage vor Jom Kippur, s. auch →Sehnsucht auf den Dritten Tempel und Messias erblüht) der Psalm 27 gelesen. 50 Tage wie zwischen den Frühjahrsfesten Pessach und Schawuot, dem Auszug aus der Knechtschaft Ägyptens, dem Ersten Gebot, und dem Empfang der gesamten Tora. Wir erkennen die „grundlegende Wichtigkeit“ des Ersten Gebotes ganz neu. Kann man einen Hausbau mit dem vierten oder fünften Stock beginnen? Beide Aspekte sind uns in den letzten Tagen, wie in den Frühjahrsfesten schon, wieder begegnet in der Hallel-Lesung (Psalm 113-118). In Psalm 114,1 heißt es:

    „Als Israel aus Ägypten zog, das Haus von Jakob weg von einem fremden Volk, da wurde Juda Sein Heiliges Land, Israel wurde Sein Reich.“

Den Bau des grundlegenden Stockwerks, also den Auszug aus Ägypten im Ersten Gebot als Grundvoraussetzung für alle folgenden Gebote, macht Gott jedem Einzelnen an jedem Schabbat klar (Nichtjuden aufgepasst: Wer mit den Juden nicht (2.M.12,38) „auszieht aus Ägypten“, gehört nicht zu Seinem Reich / Haus). So bekräftigt Gott persönlich jedem Menschen persönlich (egal ob Jude oder Nichtjude) in 5.M.5,15: „Denn DU sollst bedenken, dass auch DU Knecht in Ägyptenland warst und der Ewige, DEIN Gott, DICH herausgeführt hat mit mächtiger Hand und ausgerecktem Arm, darum hat DIR der Ewige, DEIN Gott, [auch schon im Ersten Gebot] geboten, dass DU den Sabbattag halten sollst.“ Und deshalb bekräftigt Gott im Hallel-Vers 118,22:

    “ICH [das Erste Gebot / der Gott des Ersten Gebotes], der Stein den die Erbauer verachtet haben, der ist Eckstein geworden.“

Vereinfacht ausgedrückt: Kein Auszug aus Ägypten kein Erstes Gebot, folglich kein Gott (nur Götzen) und kein Schabbat (ewige Unruhe). Christen glauben, den gleichen Gott anzubeten, wie die Juden. Doch am Nichtauszug aus Ägypten und am Schabbat wird die Wahrheit deutlich. Die Juden aber sind erlöst und können Übermorgen zu Simchat Tora, dem Fest der Freude, dem Ende und Neuanfang der Tora, beruhigt und freudigen Herzens auch den letzten Satz des Hallels (Psalm 118,28 →Ein letztes Hallel für Deutschland) tanzen und singen:

    “Du bist mein Gott, und ich danke Dir; mein Gott, ich will Dich preisen! Danket dem Ewigen, denn Er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.“

Bei den vielen, herzlichen und herrlichen Hallel-Sagungen (s. auch Psalmen 146-150) und Lesungen soll aber nicht das Gebet vergessen werden, das in jedem Morgen-, Mittag- und Abendgebet gebetet wird, in Trauer und in Freude, das Kaddisch, aramäisch für Heiligung.

Das Kaddisch beschreibt uns unten Israel Yaoz, hier zunächst der reine Gebetstext, der auch die wichtigsten Übergänge im Gottesdienst markiert:

„Erhaben und geheiligt sei Sein großer Name in der Welt, die er nach Seinem Willen erschaffen hat – Sein Reich erstehe in eurem Leben in euren Tagen und im Leben des ganzen Hauses Israel, bald und in nächster Zeit, und sprecht: Amen! Sein großer Name sei gesegnet für immer und für alle Ewigkeit. Gesegnet und gepriesen, verherrlicht, erhaben und hoch gelobt, geehrt, bewundert und gerühmt sei der Name des Heiligen, gelobt sei Er, hoch über jedem Lob und Gesang, jeder Verherrlichung und Trostverheißung, die je in der Welt gesprochen wwerden, und sprecht: Amen. Das Gebet und das Flehen von ganz Israel möge vom Himmel angenommen werden, und sprecht: Amen. Der Frieden stiftet in seinen Himmelshöhen, Er stifte Frieden unter uns und ganz Israel, und sprecht: Amen.“

Als Laie und mit aller Zurückhaltung erlaube ich mir, eine Zusammenfassung zu formulieren von einem Artikel von Avigdor Shinan, Professor an der Jerusalem Universität, erschienen auf Hebräisch anno 2009 (ISBN 978-965-13-2082-8) über das wichtigste Gebet im Judentum, das Kaddisch, “Die Entwicklungsgeschichte von dem meist bekannten Gebet der Juden.” Auch die allermeisten nichtgläubigen Juden sprechen dieses Gebet, auch wenn ihnen der Inhalt oft unverständlich ist: Kaddisch ist das Gebet für Verstorbene. Es ist in der aramäischen Sprache verfasst; sonst sind alle Gebete, sei es in der Synagoge, sei es bei Mahlzeiten, Beschneidung, Heirat usw., alle in gutem, sauberen Hebräisch verfasst; nur dieses nicht. das Gebet fängt an mit: “Möge Sein Name erhaben und geheiligt sein”.

Jeder weiß, wer damit gemeint ist, aber nicht ein einziges Mal wird der Heilige Name erwähnt. Nicht ein Mal wird der Eigenname Gottes erwähnt, obwohl in der Bibel, im täglichen Gebet, in Segenssprüchen jeglicher Art, dieser heilige Gottesname als “Adonai” (= mein Herr) ausgesprochen wird!

Alle Gebete im Gebetsbuch haben irgendeine Beziehung zu biblischen Ereignissen oder biblischen Vorstellungen; nicht aber dieses Gebet. Im Kaddisch steht kein Wort über den Verstorbenen, über Tod, über Schmerz, Sehnsucht oder Leid; es ist eine einzige Verherrlichung von Gottes Namen und Rechtfertigung seiner Entscheidungen, ob sie über uns Gutes oder Böses bringen. Auch in der Mischna, die im zweiten Jahrhundert niedergeschriebene “Mündliche Lehre” gibt es nicht den geringsten Hinweis auf das, was sich zum Kaddisch entwickelt hat.

Überraschenderweise findet Prof. Shinan einen ersten Anhaltspunkt bei der Bergrede: “Du aber geh, wenn du betest, in dein Kämmerlein und schließ deine Tür zu und bete im Verborgenen zu deinem Vater; und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir vergelten……Ihr nun sollt so beten: Abunah debaschamajah, jitkadasch Schimchah = „Dein Name werde geheiligt”. Zweifellos hat Jesus seinen galiläischen Jüngern dieses Gebet in der aramäischen Sprache gelehrt. Mit anderen Worten: ein inniges und höchst persönliches Gebet zwischen dem Betenden und seinem Schöpfer. Und gerade weil es so persönlich gehalten war, dürfte es unter Gläubigen in verschiedenen Variationen ausgesprochen sein; und “weil es keine feste Form hatte, und nicht ein Gemeinschaftsgebet war, nicht in Synagogen, und nicht in religiösen Versammlungen, und es bedürfte keiner Vermeldung in der Mischna.”

Ich möchte hier eine längere, und komplizierte Entwicklungsgeschichte übergehen, um zu dem zu kommen, was es heute ist: Das verpflichtende Gebet der Trauernden um nächste Verwandte, Eltern, Kinder usw. zum Andenken und für ihr Seelenheil. Als endgültige Auslöser zum Trauergebet wären die grausamen Verfolgungen im deutschen Bereich während der Kreuzritterzeit, Pogrome, Folterungen, Vergewaltigungen, also traumatische Erlebnisse, die einen Ausweg fanden in dem Gebet denkbar, das den Gottesnamen heiligt und Seine unerklärbaren Wege bedingungslos rechtfertigt. Ein gewisser Einfluss der christlichen Umwelt, so wie Gedenkfeiern, Kerzenanzünden für die Seele des Verstorbenen, dürften mitgespielt haben.

Mehr noch als die “fremden” (aramäischen) Worte, mehr noch als der theologische Sinn des Gebets, ist da ein unterbewusstes Gefühl, sich vereinigt zu wissen, in dieser schweren Stunde, mit der Gemeinschaft Israel, mit seiner Heilsgeschichte, mit seiner Leidensgeschichte und mit seiner kollektiven Hoffnung. Auch wenn das Gebet nur gemurmelt wird, dürfte es so einen tröstlichen Effekt auf das Gemüt eines Trauernden haben.

Gleichzeitig Ende und Anfang, das ist Simchat Tora! Zur Ehre des Tages, bzw. Erew Simchat Tora bereits am Abend zuvor, wird die letzte Passage der Tora aus dem 5. Buch Mose (Dewarim) vom Chatan Tora „Bräutigam der Tora“ gelesen – gleich darauf, aber vom Chatan Bereschit „Bräutigam am Anfang“, die Schöpfungsgeschichte der Tora, Bereschit „Am Anfang“, eben bis zu der Stelle, die Gott – deshalb initiativ für God’s Sabbath International – allen Völkern, Juden wie Nichtjuden, vor Augen stellt, als es noch gar keine Unterteilung in Völker gab (1. Mose / Bereschit 2 Vers 3): „Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn. Denn an ihm ruhte Gott von allem Werke, das Er erschaffen und gemacht hatte.“

Ein Fest der Freude und des Jubels ist das: Alle Rollen der Tora werden aus dem Heiligen Schrank, dem „Aaron HaKodesch“, genommen und sieben Umzüge mit Tanz und Gesang gemacht. Auch von den Kindern. Sie tragen anstelle der Tora dann Fähnchen.

In diesem neuen Tora-Lesungsjahr gibt es im deutschsprachigen „Hawdala-Kalender 5772“ der → johakiso edition in Ramat BetShemesh ausgewiesene Psalmen zu den jeweiligen Wochenlesungen – sehr empfehlenswert! Auch und besonders das im gleichen Verlag erschienene Buch „Verknüpfungspunkte“, in welchem Professor Yizhak Ahren aus Köln begründet, warum gerade dieser Psalm zu dieser Torastelle. Zu ersten Toraabschnitt des neuen Lesejahres, Schabbat Bereschit, ist dies der Psalm 139.

Den ersten Schabbat-Kommentar des neuen Tora-Lesejahres schreibt uns Michael Schneider aus Jerusalem: klick Kommentar ►

Chag Sameach,
Eric Martienssen

Eric Martienssen

Seit meinem Kirchenaustritt 2009 spüren meine jüdisch-orthodoxen Freunde in Israel und ich in Artikeln und höchst politischen Schabbat-Kommentaren auf GSI (God's Sabbath Int.) den Fake News Roms nach.

Der damalige Pontifex zerstörte die Wohnung Gottes, den Tempel in Jerusalem - Fakt! War das Neue Testament und die Kirche nur eine Weltmacht strategische Geschäftsidee Roms? Was ist Politik heute? Viel Freude bei Ihrer Reise auf GSI.