Rede Herr Oberbürgermeister Jürgen Roters zur
Gedenkfeier zum Novemberpogrom am 09.11.09

 

0094_25_35_300Sehr geehrter Herr Wieber, sehr geehrte Damen und Herren,

gerne komme ich Ihrer Bitte nach, aus Anlass des 9. November 1938 eine Rede zu halten. Das Gedenken an dieses historische Ereignis, das den Übergang von Diskriminierung hin zu systematischer Verfolgung markiert, soll wach gehalten werden, auch damit es sich niemals wiederholt.

Meine Damen und Herren,

die Erinnerung an diesen Tag möchte ich auch besonders für Köln noch einmal aufzeigen.

Vor 71 Jahren erreichte die Judenverfolgung im Dritten Reich ihren vorläufigen Höhepunkt. Synagogen gingen in Flammen auf, Juden wurden verschleppt oder ermordet, jüdische Geschäfte ausgeraubt und demoliert. An 9. November 1938 zeigte sich die systematische Aggression des nationalsozialistischen Regimes und seiner Anhänger gegen die jüdische Bevölkerung in aller Offenheit. In aller Öffentlichkeit hat sich die Gewalt gegen jüdische Gotteshäuser, gegen jüdisches Eigentum, gegen jüdische Menschen vollzogen. Die Misshandlung jüdischer Mitbürger wurde vom nationalsozialistischen Staat nicht nur toleriert, sondern gefördert und unterstützt, wie die Pogromnacht zeigte.

Ich möchte mit einem Bericht beginnen, der die Vorgänge beschreibt, die sich hier, an genau diesem Ort, vor 71 Jahren ereignet haben. Es ist der Bericht eines Augenzeugen, eines jüdischen Kölners, der die Ereignisse als Journalist und Schriftsteller sehr bewusst beobachtet hat.

Wilhelm Unger ging am Morgen des 10. Novembers 1938 durch Köln, ein Köln, das sich für ihn, wie für viele andere, auf schreckliche Weise verändert hatte. Überall waren Fenster von Geschäften und Wohnhäusern eingeschlagen, Wände mit antisemitischen Parolen beschmiert. Die Straßen der Innenstadt waren übersät von Scherben, Glassplittern und zerschlagenen Möbeln.

Wilhelm Unger berichtete viele Jahre später (Ich zitiere):

„Ich ging langsam zum Sitz der jüdischen Gemeinde, dorthin, wo die berühmte Synagoge in der Roonstraße stand. Als ich ankam, hatten sich schon Hunderte von Menschen versammelt. Ich sah zu, wie Kultgegenstände aus der Synagoge herausgeholt und auf die Straße geworfen wurden: Gebetbücher, Torarollen und anderes, und wie das alles angezündet wurde und lichterloh brannte. Und ich sah, wie bald auch die Synagoge selbst in Flammen stand.

Ich habe dann den Mut gehabt, zur zweiten großen Kölner Synagoge zu gehen, die in der Glockengasse stand. Von ihr waren bald nur noch die Mauern zu sehen. Ich konnte einfach nicht glauben, dass dies im 20. Jahrhundert geschehen konnte, alles ganz offen vor den Augen der Menschen – das war alles so unglaublich, und ich sagte mir: ‚Was immer mit dir passiert, sieh dir das an, da kannst du später einmal darüber berichten. Du warst Zeuge und du hast es mit angesehen, damit man nicht sagen kann, es habe das nicht gegeben.‘“ (Zitat Ende)

Bei Kriegsende war es kaum vorstellbar, dass sich in Köln jemals wieder eine so große jüdische Gemeinde entwickeln würde, wie sie heute erfreulicherweise existiert. Ich kann mich den vielen Gedenkreden an diesen Tag anschließen und bestätigen, dass man nur mit Demut und Beschämung daran erinnern kann, dass bei diesem Ausbruch des Judenhasses „Nachbarn ihre Augen gerade nicht öffneten, sondern verschlossen hielten.“

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf ein Buch verweisen, das vor wenigen Tagen erschienen ist. Sein Titel ist kurz: „Köln im Nationalsozialismus 1933 bis 1945“. Es ist ein Band, der im Rahmen der auf 13 Bände geplanten Kölner Stadtgeschichte erschien und von Prof. Dr. Horst Matzerath, dem früheren Leiter des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln, verfasst wurde.

Das Buch gibt einen umfassenden Einblick in die Entwicklung der Stadt und ihrer Bevölkerung seit 1933. Es schildert Ereignisse, analysiert Strukturen, zeigt Täter und Mitläufer. Es zeigt den Machtapparat der Nationalsozialisten und ihre Zielsetzungen und beschreibt die Auswirkungen der nationalsozialistischen Politik auf die Bevölkerungsgruppen, die verfolgt und ausgegrenzt wurden. Die antisemitische Politik des NS-Regimes, die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung wird in ihren einzelnen Phasen und ihrer ganzen menschenverachtenden Konsequenz deutlich. Auch der Pogrom vom November 1938 wird in dieser Publikation dargestellt und sein Stellenwert innerhalb der Entwicklung des NS-Terrors aufgezeigt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

aus der Historie wissen wir, dass die Geschichte der Juden weit in die Vergangenheit Kölns zurück reicht. Schon in der Antike gab es eine jüdische Gemeinde in Köln. Auf vielfältige Weise haben die jüdischen Kölnerinnen und Kölner in den Jahrhunderten zuvor zur Entwicklung der Stadt beigetragen. Von vielen gingen ganz entscheidende Impulse im Bereich von Kunst und Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft aus.

Eine kleine Gruppe Überlebender des Novemberpogroms, die ins Ausland geflüchtet war, gründete 1945 eine neue jüdische Gemeinde. Am 20. September 1959 wurde die wieder aufgebaute Synagoge in der Roonstraße eingeweiht.

Gerade aber das Verbundensein mit der Vergangenheit, das Gedenken an die Verfolgten und Ermordeten ließen den Zweifel am Sinn eines Wiederaufbaues überwinden: „Es ist zu früh“, stellte der Vorstand der Synagogen-Gemeinde 1959 fest, „schon jetzt von einer Zukunft der neuen jüdischen Gemeinde in Köln zu sprechen. Wir bescheiden uns, ein gewaltsam zerrissenes Band zur Ehre Gottes und der jüdischen Tradition, die gerade in dieser Stadt ehrwürdig ist, von neuem zu knüpfen“. Und der damalige Rabbiner Dr. Zwi Asaria erklärte, das wieder aufgebaute jüdische Zentrum solle „eine Stätte der Selbstprüfung sein, sowohl für den jüdischen Menschen als für seinen nichtjüdischen Mitbürger“.

Auch Wilhelm Unger, der Zeitzeuge des Pogroms, kam in dieser Zeit nach Köln zurück. Er wurde zu einem der Gründer der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und der Kölner Bibliothek Germania Judaica. Er gehörte damit zu den Persönlichkeiten, die Entscheidendes für das Verständnis zwischen Nichtjuden und Juden in Köln geleistet haben. Er hat zeitlebens – so wie er es sich am 10. November 1938 vorgenommen hatte – an das erinnert, was er gesehen hatte. Er war Zeuge einer schrecklichen Vergangenheit, aber er war zugleich an einer menschlicheren, toleranten Zukunft orientiert.

Viele hatten nach 1945 nicht mehr geglaubt, dass nicht nur in Köln, sondern in ganz Deutschland Juden ein neues Zuhause suchen würden. Umso erfreulicher ist es, dass sie hier wieder Heimat gefunden haben und dass Synagogen und Gemeindezentren eingeweiht wurden.

Meine Damen und Herren,

Wir wollen und müssen uns erinnern, weil die Anzahl rechter Gewalttaten in unserem Land in der letzten Zeit wieder zunimmt. Rechtsextreme Parteien mit ihren dumpfen Parolen finden nach wie vor Anhänger. Aber, und das sage ich mit Freude und Erleichterung, es gibt auch das „Köln, das sich quer stellt“, wie die vielen Aktionen im vergangenen Herbst deutlich gemacht haben.

Die Erinnerung an die Pogromnacht muss für uns aber nach wie vor bedeuten, uns zu erinnern und uns zu mahnen: Schweigen und Wegschauen im Angesicht von Gewalttaten, von Intoleranz und Menschenverachtung können und dürfen niemals der geduldete Weg sein. Nicht alle haben damals weggeschaut, es gab immer wieder Beispiele von Menschen, die Widerstand geleistet haben und ihre Menschlichkeit bewahrten und halfen. Wir müssen die Erinnerung wach und lebendig halten, gerade auch weil die Zeitzeugen immer weniger werden.

Meine Damen und Herren,

ich verbinde die Erinnerung mit der Mahnung zur ständigen Achtsamkeit für uns alle. Aus heutiger Sicht war der Verrat der Menschlichkeit zu offensichtlich, als dass wir die Aussage verstehen können, „davon haben wir nichts gewusst“. Aber wir wollen diese Aussage nicht überheblich oder vorwurfsvoll formulieren, wir wollen aus der Vergangenheit lernen, dass Schlagworte wie „Zivilcourage“ oder in unserer Stadt „Kölner lassen keinen allein“ nicht nur leere Worte bleiben.

Der heutige Tag fordert uns erneut auf, wachsam zu sein. Es bedeutet immer wieder, schon den Anfängen zu wehren und das eigene Verhalten immer wieder kritisch zu hinterfragen. Begriffe wie „hingeschaut und weggesehen“ oder „alle haben es gewusst“ dürfen uns nicht nachgesagt werden. Deshalb geht uns der Aufruf zu Mut und Zivilcourage alle an, auch wenn uns die jüngsten Beispiele von Zivilcourage erschrecken oder gar abschrecken mögen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

gerade heute sollten uns Beispiele von Menschen, die nicht weggesehen haben, Mut machen. Dabei möchte ich aktuell an Dominik Brunner erinnern, der Unternehmer hatte sich schützend vor vier Kinder gestellt, war daraufhin von zwei Schlägern, 17 und 18 Jahre alt, totgeschlagen worden.

Ich möchte auch an den katholischen Geistlichen Gustav Meinertz erinnern, der während des Novemberpogroms 1938 die aus dem Jahre 1902 stammende Torarolle aus der brennenden Synagoge in der Glockengasse rettete. Als Motiv für diese Tat gab er an „Hier wird nicht nur die Bibel der Juden zerstört, sondern auch die Bibel der Christen. Es ist die gleiche, nämlich das Alte Testament“. Wie wir wissen ist die Torarolle nach ihrer Restaurierung im November 2007 in die Gemeinde zurückgekehrt.

Diese positiven Beispiele möchte ich bewusst herausstellen und damit auch ein Vorbild für unsere Verantwortung beschreiben.

Ich möchte schließen mit den ersten Worten aus der ersten Erklärung des Kölner Rates der Religionen:

Gegenseitige Achtung, Akzeptanz und Toleranz, sowie die Achtung der Menschenrechte, die Unverletzlichkeit der Würde des Menschen und die Achtung des religiösen Bekenntnisses des jeweils Anderen sind Grundlage des gemeinsamen Handelns. Und wenn wir in diesem Sinne handeln, wird sich das fortsetzen.

Vielen Dank.

Eric Martienssen

Seit meinem Kirchenaustritt 2009 spüren meine jüdisch-orthodoxen Freunde in Israel und ich in Artikeln und höchst politischen Schabbat-Kommentaren auf GSI (God's Sabbath Int.) den Fake News Roms nach.

Der damalige Pontifex zerstörte die Wohnung Gottes, den Tempel in Jerusalem - Fakt! War das Neue Testament und die Kirche nur eine Weltmacht strategische Geschäftsidee Roms? Was ist Politik heute? Viel Freude bei Ihrer Reise auf GSI.